Dienstag, 12. Mai 2009

Wahnsinns Weite


Montag, 11.05.
Ich bin in der Pilbara, im „Rio Tinto“ und „BhP Billiton“ - Land. Der nationale Great Northern Hwy zwischen Newman und Pt. Hedland scheint mehr eine Privatstraße dieser beiden großen Bergbau- und Mineralfirmen zu sein. Ich schätze, dass 80 – 90 % der Fahrzeuge, die ich heute sah, zu einer der beiden Firmen gehörte. In Pt. Hedland ist das eher noch stärker der Fall: Privatautos sieht man nur nach Feierabend. Die Firmenfahrzeuge (PKW; LKW sowieso) haben ihre eigenen großen Nummernschilder (Abkürzung der Mine und Ziffern) zusätzlich zu den kleinen staatlichen Plaketten, und eine eigene leuchtend gelbe Markierung. In Pt. Hedland scheint es fast nur Angestellte dieser riesigen Firmen zu geben. Sie tragen eine eigene Kleidung, besondere Shirts und Hosen: leuchtend gelb mit reflektierenden Streifen die Vorarbeiter und Ingenieure, denke ich (einige wenige tragen einen aufgedruckten Namen auf der linken Brust, wohl die mittleren „Bosse“), orange und entschieden dreckiger, aber auch mit reflektierenden Sicherheitsstreifen, die Handarbeiter. Hier im Hotel sind 80% Gäste von einer der beiden Firmen, wie ich an den Dienstfahrzeugen und an der Uniform erkenne, as meiste wohl Ingenieure. Abends zum Essen kommen sie aber leger in Zivil. Solch ein Mittelklasse-Motel wie dieses lebt von diesen Firmen und ihren Zulieferern, - ich denke, ganz Pt. Hedland und die Region Pilbara lebt mit dem Wohlergehen dieser Multis. Derzeit sind Rohstoffe und Erze ja sehr begehrt; China wollte Anfang des Jahres PHB Billiton aufkaufen = die Mehrheit der Aktien erwerben, was der australische Staat aber verhindert hat. Noch schlummern in den Bergen der Hamersley Range Millionen Tonnen des Erzes, das hier zu recht „rotes Gold“ genannt wird. In Pt. Hedland pulst das Hafenleben dieser Minen, und hier wird gutes Geld und schnelles Geld gemacht – und auch leicht wieder ausgegeben. Ich habe beobachtet, dass als Bier besonders das mexikanische „Corona“ beliebt ist – und teuer. Es wird hier 1/3 literweise aus Flaschen konsumiert, und zwar gerne. Ruhig wird es hier im „All Seasons“ dennoch bleiben, denn es wird zwar früh dunkel (Sonnenuntergang jetzt 5.40 pm, Aufgang 6.30 am), aber weil es früh hell wird, geht es auch früh wieder los: Hier im Motel ist Frühstück ab 6.30 am angesagt.

In Pt.Hedland ist es wieder richtig schön warm, 32° waren es heute Mittag. Jetzt abends sind es bestimmt noch gut 24°, also sehr angenehm, zumal beim Dinner draußen auf der Terrasse am Indischen Ozean. In Tom Price war es mir letzte Nacht einfach (ungeheizt) zu kalt: Bei 8° in der Nacht habe ich mir im Bett der leicht gebauten Cabin einen Pullover angezogen. Jetzt ist es also wieder „lecker warm“, und das soll auch künftig (Broome!) so bleiben. Ich sah heute übrigens mit Bewusstsein zum ersten Mal wieder ein hoch fliegendes Flugzeug mit Kondensstreifen; mir fiel auf, dass Westaustralien so abseits der Fluglinien (wörtlich!) liegt, dass man keine großen Flugzeuge sieht oder hört. Die Verbindungen laufen halt von Punkt zu Punkt, also zu den Großstädten im Osten; seit Perth sieht und hört man nichts – bis heute. Ich habe überlegt: Von der Richtung des Flugzeuges her könnte es die Linie von Dubai nach Sydney sein...

Noch eine kleine Beobachtung sprachlicher Art. Ich habe mir nun auch angewöhnt, korrekt und umfassend zu grüßen. Bei Jüngeren heißt es zwar häufig gegenseitig nur „Hi“, aber ebenso oft auch mit dem folgenden „how are you (going)“? Dies ist nicht, wie ich anfangs dachte, eine bloße Floskel, sondern eine Redensart, die höflicherweise beantwortet werden will: „How are you?“ - „Good.“ oder „Not too bad.“ oder „Very well.“ - Daraufhin hat die Gegenfrage zu erfolgen: „And how are YOU?“ Man bekommt garantiert eine vollständige Antwort, auch wenn man sich schon wieder 3 m entfernt hat! NICHT zu antworten gilt offenbar als sehr unhöflich. Wenn man irgendwo zusammen steht und nicht nur aneinander vorbei geht, zum Beispiel an einem Aussichtspunkt im Nationalpark, dann ergibt sich daraus sehr schnell ein weiteres Gespräch, „small talk“. Eine sehr nette und wohl noch recht britische Eigenheit. Es ist auch gegenüber Personal, das einen bedient, eben genau so üblich; man fragt zuerst, wie es einem geht, und dann erfolgt auch die Gegenfrage – und schon ist man im Gespräch. Nicht schlecht („not too bad“), diese Weise der gesellschaftlichen Kommunikation, die auch und sogar im Canyon eines NP's gilt...

Weitere Beobachtung: Bekannt war mir aus den USA die Redensart „you are welcome“, was nichts weiter als „gern geschehen“ bedeutet, also nichts mit „du bist willkommen“ oder so zu tun hat. Hier in Australien, vielleicht nur im Westen Australiens (ich werde mal in Sydney darauf achten), ist der beliebteste Ausdruck „no worry“, was meist auch nur „gern geschehen“ heißt, aber auch in vielen anderen Situationen anwendbar ist und dann so viel wie „kein Problem“, „klar doch“ (amerikanisch „sure“) bedeutet. „No worry, be happy“, das könnte das westaustralische Lebensgefühl durchaus abbilden. Jedenfalls ist „no worry“ die häufigste Antwort, die man hier in allen möglichen Situationen zu hören bekommt: zustimmend, beruhigend, bestätigend, klärend, indifferent, nett, - halt „no worry“! Ich frage mich manchmal, ob die ursprüngliche Bedeutung in der Redeweise 'to worry about sth.' hier überhaupt noch anwendbar ist... „O sorry!“ - „No worry!“

Übrigens: Auf meinem Nachttisch liegt die letzte Ausgabe der „Australia's Mining Monthly“ … :-)




Dienstag, 12.05.
Das Frühstück war früh: Der arbeitende Teil der Motelgäste (= die meisten) waren um 6.30 beim breakfast versammelt. Es sind ruhige und freundliche Typen, die bestimmt einen harten Job haben. Auch bei ihnen steht übrigens „Muesli“ hoch im Kurs... Die TV-Morgensendung lief, eine irgendwie nette Atmosphäre; jedenfalls habe ich mich in diesem Kreis wohl gefühlt und ein paar Worte gewechselt.

Dann gings auf die längere Strecke nach Broome, 620 km, also mit Pause 7 Stunden. Wer übrigens einen fable für „roadtrains“ hat, kommt bei Pt.Hedland morgens voll auf seine Kosten. Da starten dann diese Schwerlastzüge, meist mit Öl bzw. Benzin oder mit Erzen aus den Minen beladen, voll oder noch leer, das merkt man daran wie sie „beschleunigen“. Hier im Norden haben sie in der Regel drei lange Hänger hinter dem Zug-LKW, reizen also ihre erlaubten 35 m (!) Länge voll aus. Zum Überholen braucht man dafür schon etwas Anlauf und freie Strecke!

Aber die gibt es nach Broome hin ja genug. Die Minen hören auch nach ca. 80 km auf, danach ist Ruhe auf der Piste. Es wird etwas eintönig, wenn auch viel weniger langweilig, als ich dachte. Irgendetwas ändert sich eben doch immer – bis auf die letzten 300 km, da änderte sich eigentlich nichts: endloser Busch! Aber wenigstens grün war es, bis auf die Abschnitte, in denen gerade Buschfeuer (normale Sache) brannten oder gebrannt hatten. Immerhin gab es auf den 600 km keine weitere Ortschaft, nur noch 2 Roadhäuser, die sich aber auf die ersten 300 km verteilten, und sonst außer Kängurus nichts. Bei dem Durchfahren dieses weiten Kontinents fällt mir vor allem der weite Himmel auf. Es ist ähnlich wie auf dem Meer, oder manchmal beim Fliegen. Heute war der schier endlose Himmel (erst recht nachts!) etwas bewölkt, nur leichte hohe Bewölkung, aber immerhin Der Himmel hatte eine Struktur. Wahnsinn! Mir wurde ganz anders zu Mute, ehrfürchtig, demütig. Was sind wir Menschen bloß für ein Gewürm!

Immerhin schaffen „wir“ es, immer wieder Oasen zu bauen. Eine solche ist Broome. Wer wie üblich mit dem Flugzeug hier ankommt, merkt nicht einmal etwas von der schönen einsamen Weite, in der Broome gelegen ist. Hier tobt das Touristenleben, d.h. noch nicht so richtig, denn es ist Herbst, also hier Vorsaison. Lest bei Wikipedia über diesen Ort nach! Ich werde ihn entdecken, und die Kimberley dazu. Ich habe heute noch etwas ganz Spezielles gebucht...

Ach ja, dazwischen der 80 miles beach. Tolle Sache, aber nur zum Angeln, nicht zum Baden: Box-Jellies (= gefährliche Giftquallen)! Die verschwinden im Winter zum Glück von diesen Küsten. Noch einmal eine wunderschöne endlose Weite: Meer und Sand und Muscheln!

Heute ist für mich Halbzeit, kaum zu glauben. In vier Wochen soll ich um diese Zeit schon wieder in München gelandet sein. Ich habe mir einen Cognac genehmigt nach dem Dinner. Ich finde, der Anlass ist es wert. Immerhin habe ich schon fast 4000 km mit dem Auto zurückgelegt mit allen Zickzacks, und unglaublich viel gesehen. Die Zeit ist vergangen wie im Fluge. Ich empfinde das kaum, denn ich denke nur in „morgen“ und allenfalls „übermorgen“ und decke die Erfahrungen des vergangenen Tages mit neuen Erlebnissen zu. Dieses Blog und ihr, liebe Leser, helft mir dabei, nicht alles sofort zu vergessen, sondern im Nachdenken und Nachgehen ein Stückchen von dem festzuhalten, was wir „Erinnerung“ und „Erfahrung“ nennen. Eine solche Reise bringt einen wahrlich zu neuen, ganz anderen (Selbst-) Wahrnehmungen. Die Zeit vergeht, und ist man erst mal „über den Berg“, vergeht sie noch schneller. Ich werde mir darüber keinen Kopf zerbrechen, sondern weiterhin voller Neugier und positiver Stimmung und Erwartung den Dingen entgegensehen, die da noch auf mich zu kommen werden. - Ein paar Bilder „aside“.

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