Mittwoch, 20. Mai 2009

El Questro & more


Mittwoch, 20. 05.
Da ist einiges passiert in der Zwischenzeit. In dem Wilderness Park El Questro gibt es weder Internet noch TV noch Mobiltelefon – sehr vernünftig. Es gibt auch nur eine einzige öffentliche Telefonzelle, die war aber immer frei, man wollte gar nicht telefonieren. Denn hier zu sein, abgeschieden von der übrigen Welt, und doch mit allem, was nötig ist, bestens versorgt, inmitten einer unglaublich lieblichen und schönen Landschaft (ja, lieblich, und das in den Kimberley!), das allein genügt. Es ist wie in einem Paradies, wirklich. Die Bilder können nur schwer wiedergeben, wie hier die Landschaft insgesamt wirkt, zumal dann auch die Lichtverhältnisse in den Gorges mit Sonne und Schatten zum Fotografieren recht kompliziert sind. Die Dimensionen sind es allemal, so dass der Eindruck der wenigen Fotos hier wirklich sehr unzureichend bleibt. Hinzu kommt, dass man die Geräusche und Gerüche unbedingt hinzu nehmen muss, um einen sinnlichen Eindruck zu bekommen. Also kurzum: Es gibt Landschaften wie die Bungles, da können Fotos schon eine Menge zeigen. Und es gibt sinnliche Erfahrungen wie die hier im Park El Questro, wo die Bilder ziemlich kläglich versagen. Hier zu sein gehört auf jeden Fall zu den größten Highlights in ganz Westaustralien. Besonders dann, wenn man wieder alle Zähne im Mund und Reifen auf dem Auto hat. Aber damit greife ich vor...

Gestern war eine halbe Stunde lang Pech angesagt. Irgendwann musste es ja kommen; dass es dann so abgelaufen ist, wie es war, gehört schon wieder zu den glücklichen Ereignissen meiner Reise. Ich habe also gestern meinen 4WD in Kununurra übernommen, sehr gespannt, was ich nun mit diesem Auto würde anstellen können. Ich habe mich schnell dran gewöhnt und bin nach Wyndham gefahren, die normale asphaltierte Route, eine andere gibt es auch gar nicht. Es ist ziemlich ödes Nest am Ende des Great Northern Highways an der Timor Sea gelegen wie Darwin. Nun gut, es gehörte sich einfach für mich so, dann auch konsequent bis ans Ende dieser großen Straße zu fahren, die ich von Perth an immer wieder verfolgt habe. Danach wollte ich die für mich neuen Möglichkeiten des 4WD Nissan Patrol nutzen und die King River Road fahren, und möglicherweise sogar den Pentecost Drive als Abkürzung zur östlichen Gibbs River Road nutzen. Das war eine landschaftlich tolle kleine Straße am Krokodil reichen King River entlang. Krokos habe ich zwar nicht gesehen, dafür aber viele Lizards (kleine Echsen ähnlich den Waranen) und jede Menge mir unbekannter großer Vögel, Reiher ähnlich, schwarze Störche, Trappen (danke, Dennis!) usw. Plötzlich hatte ich beim intensiven und freudevollen Schauen und Kauen leider einen halben Goldzahn locker im Mund, das war weniger schön. Ich konnte ihn retten, ehe ich ihn beinahe verschluckt hätte... Blöde Sache.

Die Abkürzung zur Gibb River Road und damit nach El Questro erwies sich als ein recht anspruchsvoller Track, den ich mir alleine und ohne 4WD - Erfahrung nicht zutraute, schon beim Ansehen nicht, und daher beschloss ich, denselben Weg 60 km wieder zurück auf den Hwy zu fahren und dann ganz normal die 80 km u. a. über die Gibbs River Road (die ist komplett nicht asphaltiert, wird aber auch von Road Trains (!) benutzt) nach El Questro zu fahren, alles ganz nah und easy. Gerade als ich recht stolz auf mich war, wie vernünftig oder (feige?) ich eben bei meiner Entscheidung zurück zu fahren gewesen war, ereilte mich das Missgeschick: Mitten im Nirgendwo auf einer kleinen Outback - Straße gab das Auto komische Geräusche von sich, stank dann fürchterlich nach Gummi und begann zu schlingern. Ich stoppte dann sofort und ahnte – und sah das Malheur: Der rechte hintere Reifen war total zerfetzt und stand nur noch auf der Felge. Eine Erfahrung der anderen Art: Neben mir nicht weit der Fluss mit den möglicherweise gefährlichen Krokodilen, vor mir und hinter mir nur Staubstraße, neben mir ein kaputtes Auto – wow! Zum Glück war die Straße an dieser Stelle eben und einigermaßen breit, so dass ich gefahrlos mit dem Reifenwechsel beginnen konnte. Oh boy, wann habe ich das zuletzt gemacht... Mir war als erstes klar: Bleib cool Junge, du hast genug Wasser dabei, und entferne dich keinesfalls vom Auto. Dann gings los mit der Suche nach den Werkzeugen, Wagenheber, Ansatzpunkt, na ja, ich sage euch, man sollte das öfter mal üben. Jedenfalls habe ich mich gar nicht so total dumm angestellt, denn eigentlich wäre ich fast zum Ziel gekommen, wenn da nicht diese eine doofe Schraube gewesen wäre, die ich partout nicht los kriegte! Ich habe mir dabei die Haut der rechten Hand zerfetzt. Nichts zu machen, sie lockerte sich nicht. Der Wagenheber schien immerhin zu funktionieren, aber ich kam halt dennoch nicht weiter. Also auf Hilfe warten – au Mann, wird einem da die Zeit lang, zumal in der frühen Nachmittagsglut mitten im Nirgendwo. Nach einer halben Stunde (kam mir vor wie eine kleine Ewigkeit), hörte ich Motorengeräusche, und ein Auto kam, damit nahte die Rettung. Der freundliche Australier war zum Angeln im Kings River unterwegs und hatte natürlich richtiges Werkzeuge dabei. Das Lösen der letzten Schraube und der Reifenwechsel gingen jetzt im Nu, obwohl wir noch die Hilfe seines zweiten Wagenhebers benötigten, um das Auto hoch genug zu kriegen. Der Reifen war dann schnell gewechselt – und ich total erleichtert. Wir haben uns dann noch ein Weilchen unterhalten, klar, jeder macht einmal solche Erfahrungen, und danach schafft man sich richtiges Werkzeug an und achtet ganz besonders auf den Reservereifen...

Ich bin dann auf dem normalen, weiteren Weg nach El Questro gefahren, mulmig wurde mir nur auf der Gibbs River Naturstraße, weil ich ja nun keinen Reservereifen mehr hatte, nur noch dieses zerfetzte Dingen, das da an meiner Hecktür hing. Aber was soll ich sagen: Dieser Nachmittag und Abend in El Questro gestaltete sich noch besonders nett und gemütlich, weil ich dort wieder die kleine Reisegruppe von „Peter“ traf, der mit seinen Wienern unterwegs war. Wir hatten natürlich viel zu erzählen und haben dann abends nett zusammen gesessen und gegessen – das Restaurant in El Questro Township ist super – und den einen oder anderen Wein miteinander getrunken. Es war der glorreiche Abend eines recht aufregenden Tages... Ich war übrigens im Resort recht schnell das Tagesgespräch: „der mit dem zerfetzten Reifen kam“ … Ich habe meine Geschichte gleich mehrfach erzählen müssen. Wisst ihr, es war bei den Fragern und Zuhörern der Effekt wie im Gruselkino: Es gruselt so schön, wenn und weil es MICH NICHT betrifft … :-) Sogar heute noch, eine Tag später, fragte mich die Oberin im Restaurant, ob denn nun mein heutiger Tag auch gut gewesen wäre; ja, sie habe von dem „tyre damage“ gehört, ob ich denn trotzdem den Aufenthalt hier genießen würde? Wow – so wird man zur Berühmtheit für einen Tag...

Ich bin heute Morgen nach Kununurra zurück gefahren, war schon um 8 Uhr bei dem Service von HERTZ, also bei Sandy. „Take it easy“, sagte sie, so etwas passiert halt. Ich sollte gleich einen neuen Reifen bekommen, und dann zeigte sie mir endlich auch, wo im Auto das „richtige“ Werkzeug versteckt war. Tausendmal „sorry“ natürlich. Zum Glück würde ich bloß ca. 20 % des neuen Reifens bezahlen müssen, da der kaputte ja schon alt gewesen wäre. Aber das gleich vorweg: Das hat mit dem Plattfuß nichts zu tun. Ich hatte am Abend vorher natürlich noch viel Fachsimpeleien und erfuhr, dass insbesondere die Hinterreifen auf Schotterstraßen durch den Steinschlag der Vorderreifen (!) bedroht sind: jeder Stein ein Geschoss sozusagen. Dann passiert das eben. Es kann einem dreimal in einem Monat passieren, auch bei ganz neuen Reifen, und es kann 5 Jahre gut gehen. Nur – irgendwann passiert es wieder. Shit happens. Darum ist zumindest gutes Werkzeug und am besten 2 Reservereifen angesagt.

Das habe ich mir von Sandy dann auch besorgt. Dann war ich, während der Reifen montiert wurde, noch bei der Dentistin und habe mir das Goldinlay wieder einsetzen lassen, habe getankt und eingekauft - und war nach zweieinhalb Stunden wieder auf dem Weg zurück von Kununurra nach El Questro mit neuem Reifen. Die Zahnbehandlung war übrigens prompt, gründlich und spitze, auch eine neue und gute Erfahrung. Nach knapp 20 Stunden war also wieder aller Schaden behoben! Uff, wie gut!

Es war mir schon klar: Irgendwann musste etwas passieren, irgend etwas, man kann nicht immer nur Glück haben. Letztlich aber habe ich in all dem Missgeschick, das mir passiert ist, doch wieder mehr Glück als Verstand gehabt. Jedenfalls bin ich heute sehr fröhlich die rauhen 4WD-Tracks zu den Gorges gefahren, die ich mich gestern noch nicht getraut hätte. Man lernt halt immer dazu. Eine tolle Gegend, wichtige Erfahrungen, die ja auch irgendwie zu diesem Land hier gehören, und bewältigte Schwierigkeiten, da bin ich doch am Ende sehr glücklich und zufrieden.

Schaut euch die Fotos an und freut euch daran. Denn ich habe heute die Wanderungen in den Gorges genossen; eine selten schöne tropische Landschaft der Kimberley voller Wasser mitten im Trockenland! Und nun geht’s dann wieder zurück nach Kununurra, tja, das kenne ich ja inzwischen recht gut; eine freundliche kleine Stadt, die sich mir von der besten Seite gezeigt hat! Donnerstag Abend ist BBQ Dinner auf dem Ord River angesagt.

Das war doch mal eine richtige story... no worry!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen